Samstag, 4. November 2017

Crossfit und Intensitätstechniken aus dem Bodybuilding - Teil 1

Eines der Hauptprobleme im Crossfit, sehe ich darin begründet, dass grundlegende Prinzipien der Muskelentwicklung als auch der Erholung sträflich vernachlässigt werden.

Hierbei begründet sich meine Kritik an den Trainern in den Crossfitboxen in der unzureichenden Beachtung der Belastungsintensität der Schultermuskulatur.
Schaut man sich die WOD´s an, so bestehen diese aus Übungen wie das Umsetzen oder Stoßen, ob nun mit Gewichten oder dem Körper. Gerade, wenn man Athleten hat, die dreimal oder noch mehr in der Woche trainieren, sind die Ruhephasen zur Erholung der Schultermuskulatur nicht mehr gewahrt.

Wir nehmen mal einen Atleten, der dreimal die Woche trainiert, am Montag, Mittwoch und Freitag. Am Montag wird im WOD irgend eine Abfolge von Stoßen und Umsetzen (Clean and Jeark) absolviert. Am Mittwoch ist im WOD eine Übung mit Kipping Muscle-Up auf dem Plan. Am Freitag erfolgt noch eine Einheit mit Handstand Push Ups.

Trainieren sie auf diese oder ähnliche Art, sollten sie sich nicht über auftretende Schulterschmerzen wundern. Im Schultergelenk liegt zwischen der Sehne des Musculus supraspinatus und dem Schultereckgelenk ein Schleimbeutel, der Bursa subacromialis. Schleimbeutel dienen als „Verschiebeschicht“. Durch sie wird die mechanische Belastung auf Knochen beziehungsweise Muskeln abgemildert.

Eine Besonderheit des Schultergelenks ist, dass die Bursa subacromialis kaum Gelegenheit hat sich auszudehnen. Der Deltamuskel, die knöchernen Strukturen und die Sehnen begrenzen den Schleimbeutel sehr eng. Aus diesem Grunde kommt es bei einer Bursitis subacromialis im Vergleich zu anderen Schleimbeutelentzündungen seltener zu ausgeprägten Gelenksergüssen mit Schwellungen, dafür aber schneller zu einer Bewegungseinschränkung.

Bei einem Training kommt es nun einmal in unvermeidbarer Weise zu kleinen Mikrotraumen.  Besteht eine solche Belastung über einen langen Zeitraum, kommt es immer wieder zu minimalen Verletzungen des Schleimbeutels, die zunächst gar nicht auffallen. Im Laufe der Zeit führen diese „Mikrotraumen“ dann zu einer Entzündungsreaktion im Schleimbeutel.

Bestimmte Zellen proliferieren (fangen an zu wachsen) und bilden vermehrt Flüssigkeit und Kollagen. Darüber hinaus wird als Reaktion auf die ständige mechanische Reizung häufig Kalk gebildet und unter dem Schulterdach in die Sehnen eingelagert. Wenn dieser Kalk in den Schleimbeutel eindringt, fördert dies zusätzlich die Entzündungsreaktion.

Dieses Problem wird schlichtweg im Trainingsaufbau, gerade beim Crossfit, nicht beachtet.

Ein weiteres ebenso wenig beachtetes Problem im Crossfit Training ist die ungleichmäßige Kraftentwicklung der Schultermuskulatur die sich aus den klassischen Crossfit-Übungen zwangsweise ergibt.

Die Schultermuskulatur besteht aus zwei grundlegenden Muskelgruppen.

 

Die untere Schultermuskulatur, zentriert die Kugel des Oberarmkopfes bei Bewegungen in der Schultepfanne. Sie sorgen für Bewegung und Kraft. Diese vier Muskeln bilden die sog. "Rotatorenmanschette".

Jeder der Muskel besteht aus dem eigentlichen Muskelbauch - dem roten Anteil - und an der Stelle, wo der Muskel in den Knochen einstrahlt wird er weiß, das ist sein sehniger Anteil. Da der sehnige Anteil der Rotatorenmanschette schlecht durchblutet ist und ständig unter Spannung steht, finden sich fast alle Rotatorenmanschettenrisse im sehnigen Anteil, also ansatznah.

Weiterhin formt die Schulter ein großer, dreiseitiger Muskel, der Deltamuskel. Dieser überdeckt die Muskeln der Rotatorenmanschette. Der Muskel besteht aus drei Teilen: Der vordere Deltamuskel entspringt am Schlüsselbein, der mittlere und hintere Anteil am Schulterblatt. Die unterschiedlichen Anteile des Deltamuskels haben je nach Lage zur Bewegungsachse und Stellung zum Oberarmknochen (Humerus) verschiedene Funktionen, die sowohl synergistisch als auch antagonistisch wirken können.
Besonders wichtig ist der Muskel für die Abduktion, das bedeutet den Arm vom Körper seitlich abzuspreizen. Der vordere Deltamuskel kann den Arm nach vorne bewegen (Anteversion), nach innen rotieren und an den Körper heranziehen (Adduktion), ab einem Winkel von 60-90° hilft er dem mittleren Muskelanteil bei der Abduktion.
Der hintere Anteil des Muskels bewegt den Arm nach hinten (Retroversion), rotiert nach außen und zieht ebenfalls – wie der vordere Deltamuskel – den Arm zum Körper hin (Adduktion). Von 60-90° unterstützt er ebenfalls den mittleren Anteil bei der Abduktion.
Die Funktion des mittleren Teils besteht allein in der Abduktion.

Das Problem was sich aus diesem Muskelaufbau und seiner Funktion ergibt, begründet sich beim Crossfit Training in einer hauptsächlichen Belastung der vorderen und seitlichen Schultermuskulatur. Die hintere Schultermuskulatur, sowohl der hintere Deltamuskel als auch der Teres minor werden dagegen kaum einem Kraftreiz ausgesetzt. Das bedeutet, die vordere und seitliche Schultermuskulatur wird im Verhältnis zur hinteren Schultermuskulatur deutlicher entwickelt.

Wenn jetzt der Athlet noch besonders intensiv Liegestütze und Bankdrücken trainiert, sodass die Brustmuskulatur intensiv belastet und damit entwickelt wird, führt dies zu einer weiteren Belastung der Schulter, weil die Kraft nur von vorne auf die Schultermuskulatur wirkt. Dies bedingt sich im Ansatz des Brustmuskels am Crista tuberculi majoris. Dies ist eine prominente Knochenleiste am Tuberculum majus des Oberarmknochens.

Diese einseitige von vorne auf die Schulter wirkende Belastung der deutlich stärker ausgebildeten vorderen und seitlichen Schultermuskeln führt dazu, dass der Oberarmknochen in der Gelenkpfanne allein durch die Muskelspannung, selbst in Ruhelage, nach hinten und dabei noch nach oben unter das Schulterdach gezogen wird. Die Ausprägung des Impingement Syndrom oder einer Schleimbeutelentzündung werden damit deutlich begünstigt.

Weiterhin ist die Erholungsdauer des Muskels zu problematisieren.

1.  Die neurologische Erholung.

Unser Nervensystem ist verantwortlich für die Verwendung unserer Muskeln, und je härter wird mit unseren Muskeln arbeiten, desto mehr Ruhe benötigt unser Nervensystem.
       
2 Die physiologische Erholung.

Muskeln können nur größer und stärker werden, wenn sie durch hartes Training stimuliert werden. Dann erst beginnt der Körper mit der richtigen Erholung und Ernährung einen Prozess der Überkompensation. Dabei ersetzt er Energien und Muskelsubstanz, die während des Trainings verloren gegangen sind, und fügt darüber hinaus neue Fasern hinzu. Dadurch wird der Körper stärker und fitter. In der Praxis umfasst die physiologische Erholung zwei zelluläre Prozesse: Die Muskelzellen selber werden etwas größer, was teilweise erklärt, warum Muskeln wachsen, darüber hinaus vermehren sie sich als Überkompensation für die Zellen, die während des Trainings beschädigt wurden. Diese Zellvermehrung ist der wichtigste Faktor für unser Muskelwachstum.

3. Die mentale Erholung.

Wenn wir einen Muskel trainiert haben, benötigt dieser Muskel anschließend Erholung. Aber auch der ganze Körper benötigt das, was als gemeinhin als generelle Erholung bezeichnet wird. Wenn dieser Erholungsbedarf für den ganzen Körper nicht ernst genommen wird, kann es zu einer Stress-Situation kommen, der Körper befindet sich plötzlich in einem Zustand des “Übertrainings”, einer grundsätzlichen Überanstrengung.

4. Chronologie der Regeneration

Bereits 4-6 Minuten nach Trainingsende kommt es zur vollständigen Resynthese muskulärer Creatinphosphatspeicher. Beeinflusst wird diese Zeitspanne natürlich von der Verfügbarkeit an Creatin.

Je nach Intensität und Trainingszustand kehrt die Funktion des Herz-Kreislaufsystems bis etwa Minute 20 auf einen normalen Level zurück. Sowohl Herzfrequenz als auch Blutdruck sind hiervon betroffen. Je besser das Herz-Kreislaufsystem trainiert ist, desto schneller kann dieser Regenerationsschritt vollzogen werden, weshalb sich ein zum Krafttraining begleitendes Herz-Kreislauftraining in Form von regelmäßigen Cardioeinheiten immer auszahlen wird, auch im Aufbau!

Mit dem Training wird auch der Blutzuckerspiegel beeinflusst und verursacht eine oftmals nicht merkliche leichte Hypoglykämie. Innerhalb der ersten 20-30 Minuten gleicht sich diese wieder aus. Möglich ist dies über noch in der Leber verfügbares Glykogen, welches hierzu in die Blutbahn abgegeben wird. Sind zu wenige Kohlenhydrate bei gleichzeitig schlecht an die Ketose adaptiertem Stoffwechsel greifbar, kann es sogar zu einer merklichen Unterzuckerung kommen. Die Aufnahme schnell verfügbarer Kohlenhydrate hilft je nach Versorgungsstatus mehr oder weniger effektiv bei diesem Regenerationsschritt. Übertreibt man es mit der Kohlenhydratzufuhr, dann kann es etwa 30 Minuten nach der Aufnahme durch den schnell ansteigenden Blutzuckerspiegel zu einer kompensierenden starken Insulinausschüttung kommen, die wiederum eine verzögerte Hypoglykämie bedingt. Dieser Regenerationsschritt macht daher die Notwendigkeit einer angepassten Zufuhr mit Kohlenhydraten nach dem Training deutlich.

Etwa 30 Minuten werden dafür benötigt, den Säure-Basenhaushalt wieder zu normalisieren. Ermöglicht wird dies durch körpereigene Puffersysteme, die in Zusammenarbeit mit dem Herz-Kreiskaufsystem angefallenes Laktat neutralisieren, aus den trainierten Muskeln aufnehmen und es entweder zum Abbau weiterleiten oder an „nicht direkt aktive“ Strukturen abgeben, wo es als Energiesubstrat verwendet werden kann. Ziel dieser Maßnahme ist das Erreichen einer Laktatkonzentration unter 3 mmol/l. Dieser Regenerationsschritt ist davon abhängig, wie viel Laktat im Rahmen der Belastung angefallen ist und wie effektiv die Puffersysteme arbeiten. Ergänzungen wie Beta-Alanin oder Natron (Bikarbonat) können hierzu die körpereigene Puffersysteme fördern und unterstützen.

Die Muskelproteinsynthese wird während eines Krafttrainings gehemmt und zwar spezifisch in der beanspruchten Muskulatur. Auch diese Hemmung wird im Rahmen der Regeneration wieder in einen Ausgleich bzw. eine Steigerung verwandelt. Das zeitliche Fenster hierfür wird unbeeinflusst mit etwa 60 Minuten nach dem Training angegeben. Spezifische Gaben an Protein direkt im Anschluss eines Krafttrainings können für eine Verkürzung dieses Regenerationsschrittes sorgen. Besonders von Wheyprotein und seinen insulinogenen Aminosäuren weiß man um eine schnelle Anhebung des Blutaminosäurespiegels und damit der Steigerung der Proteinsynthese in weniger als 60 Minuten, was eine Aufnahme von Protein nach dem Training zumindest aus diesem Gesichtspunkt rechtfertigt.

Als Nächstes folgt der Umschwung des Protein-Turnover - also dem Verhältnis von Proteinabbau zu Proteinaufbau. Mit Krafttraining lösen wir ein Ungleichgewicht im Protein-Turnover zu Gunsten des Abbaus aus. Wir schaffen eine katabole Stoffwechsellage. Mit dem Anstieg der Proteinsynthese nach dem Training wird kurze Zeit später, also etwa nach 90 Minuten aus einer katabolen Stoffwechsellage wieder ein anaboles Milieu mit einem verstärkten Eiweißumsatz zu regenerativen Zwecken. Je schneller es zur Anhebung der Proteinsynthese kommt, desto eher wird auch der Proten-Turnover wieder in einen anabolen Bereich umschlagen.

Nach etwa zwei Stunden hat parallel dazu bereits die überwiegende Wiederherstellung ermüdeter Funktionen der Muskulatur stattgefunden. Natürlich ist das Traumata an sich nach bereits zwei Stunden noch nicht kuriert, vielmehr geht es hier um Stufe eins und damit die motorische Wiederbelastbarkeit.

Innerhalb des ersten Tages nach einer Belastung ab etwa Stunde sechs beginnen sich Verschiebungen innerhalb des Flüssigkeitshaushalts wieder zu normalisieren. Vermehrte Schweißverluste können unter Umständen zu einer leichten Eindickung des Blutes führen, die  auf analytischer Ebene mit einem leicht erhöhten Hämatokritwert festgestellt werden können. Gut ausdauertrainierte Sportler weisen beispielsweise einen verringerten Hämatokritwert auf, da hier das Blutvolumen stärker ansteigt als die Zahl an Blutzellen, was zu einer verringerten Viskosität (Zähflüssigkeit) des Blutes führt. Das Blut reibt weniger stark an den Blutgefäßwänden und verringert so die notwendige Arbeitsleistung des Herzens. Insgesamt versucht unser Körper innerhalb des ersten Tages nach der Belastung das Verhältnis zwischen flüssiger und fester Bestandteile wiederherzustellen. Für die Praxis bedeutet dies, dass es von großer Bedeutung in Sachen Regeneration ist, zum einen bereits gut hydriert ins Training zu gehen und sich je nach Dauer und Schweißverlusten zum anderen auch nach dem Workout wieder mit Flüssigkeit und Elektrolyten im richtigen Verhältnis zu versorgen.

Weiterhin erfolgt innerhalb des ersten Tages nach dem Training die Resynthese der Glykogenspeicher in der Leber. Diese werden durch die gesamt erhöhte metabolische Umsatzrate angegriffen. Hepatische Speicher werden deshalb vor muskulären Glykogenspeichern wieder befüllt, da sie für die Energieversorgung der für den Körper wichtigsten Einrichtung verantwortlich sind, dem Gehirn. Interessant zu wissen ist, dass die Gesamtspeicherkapazität in etwa mit 115g angegeben wird. Wie viel davon im Rahmen des Trainings verbraucht wird, hängt zum einen vom Versorgungsstatus generell und zum anderen vom anaeroben Energieverbrauch ab, der mit der Trainingseinheit abgerufen wird. Unmittelbar nach dem Training sofort Kohlenhydrate zuzuführen wird den Resynthesevorgang zwar nicht innerhalb einer deutlich kürzeren Zeit abschließen, dennoch für eine schnellere Teil-Resynthese sorgen, auch weil die Insulinrezeptoren der Leber nach einer intensiven Trainingseinheit stärker sensibilisiert sind.

Die Resynthese muskulärer Glykogenspeicher steht als Nächstes auf der To-Do-Liste. Sie nimmt in den meisten Fällen mindestens 2 Tage in Anspruch. Auch hier muss erwähnt werden, dass Punkte wie
  •     der Füllstand zu Beginn des Trainings
  •     die verbrauchte Menge
  •     der Aufwand, der vorher für die Resynthese von                         Leberglykogen betrieben werden musste
für starke Individualität sorgen, wenn es darum geht, einen Zeitraum festzulegen. Wenn alles optimal vom Athleten umgesetzt wird, ist mit zwei Tagen alles optimal  gelaufen. Letztlich kann sich in Abhängigkeit individueller Faktoren und der Intensität des Trainingsreiz die Resynthese auch auf bis zu sieben Tage ausdehnen.

Ähnlich verhält es sich mit der Resynthese intrazellulärer Triglyceridspeicher im Muskel. Was viele nicht wissen ist, dass in unseren Muskeln auch eine gewisse Menge Fett für die aerobe  Energiebereitstellung geparkt wird. Eine Belastung ist in den seltensten Fällen rein aerob oder rein anaerob, deshalb ist es nur schlüssig, dass unsere Muskeln auch einige Fettsäuren deponieren. Die Resynthese dieser Fettspeicher kann in Abhängigkeit des Füllstandes vor dem Training und dem Verbrauch während der Einheit  zwischen drei bis fünf Tage in Anspruch nehmen.

Nachdem der Wiederaufbau von Energievorräten nun abgeschlossen ist, geht es jetzt um die Regeneration teilweise zerstörter Muskelfaserbestandteile. In Abhängigkeit vom Zerstörungsgrad und der Schwere der Mikrotraumata findet dieser Vorgang zwischen dem dritten und dem zehnten Tag nach der Belastung statt. Merklich ist dies für uns über den Ablauf eines Muskelkaters. Während wir an Tag eins nach dem Training meist noch nichts oder nur wenig spüren, sorgen entzündliche Vorgänge in Tag zwei für Bewegungsschmerz und erhöhte Wasseransammlung im Muskel. Damit werden die besten Voraussetzungen für eben die Regeneration zerstörter Muskelfaserbestandteile geschaffen. Im Laufe der Regeneration klingt der Muskelkater wieder ab und mit ihm endet auch der beschriebene Regenerationsvorgang.

Abschließend findet Regeneration natürlich auch auf psychischer Ebene statt. Die gesamte Lebenssituation, der Stresslevel und die Ausgewogenheit der Persönlichkeit entscheiden über die Dauer. Diese wird in der Sportmedizin mit mindestens einer Woche bewertet.

Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass die Regeneration der Schultermuskulatur bei der Eingangs aufgezeigten Trainingsintensität innerhallb von 48 h nicht vollständig erreicht werden kann.