Sonntag, 5. Februar 2017

10 Antworten zur Muskelentwicklung

Nr. 1: Die Form eines Muskels ist veränderbar

Einer der häufigsten Irrtümer ist, dass ein Muskel durch bestimmte Übungen in seiner Form beeinflusst werden kann. Wer kennt nicht die These, dass Konzentrationscurls den Bizeps höher machen oder enges Bankdrücken gerade die innere Brust aufbaut. Letzteres soll hier einmal als Beispiel dienen. Der Brustmuskel fängt vereinfacht am Brustbein an und endet am Oberarm als aktive Komponente. Stellen Sie sich in diesem vereinfachten Modell die einzelnen Muskelfasern als Gummibänder vor. Um den Muskel nun zum Wachstum anzuregen, muss er kontrahiert werden. Die Intensität der Kontraktion bestimmt die Stärke des Anreizes zum Muskelwachstum. Um die innere Brust gezielt aufzubauen, muss also dort ein größeres Muskelwachstum stattfinden, als in den anderen Bereichen der Brust. Hierfür müssten die Muskelfasersegmente in der Brustmitte nun stärker kontrahieren, als in den anderen Bereichen. Dieses ist aber nicht möglich. Versuchen sie einmal ein Gummiband an beiden Enden zu fassen, zu dehnen und dann in unterschiedlichen Bereichen stärker kontrahieren zu lassen. Sie werden sehen, dies ist ein Ding der Unmöglichkeit.
 
Möglich ist hingegen, durch eine stärkere Kontraktion der oberen oder unteren Brustmuskelfasern, gezielt den oberen oder unteren Brustbereich aufzubauen, wie sie durch verschiedene Schräglagen einer Drückerbank erreicht wird. Hier werden nicht einzelne Segmente der Fasern verstärkt belastet, sondern die oberen oder unteren Muskelfasern als ganzes. Dieses Prinzip ist auf jede Körperpartie übertragbar. Beispiel Bizeps: Sie können zwar in Grenzen verstärkt den inneren oder äußeren Bizepskopf belasten, aber nicht den Muskelfaserbereich in der Mitte des Bizeps zu einem größeren Muskelwachstum anregen. Der Effekt, der irrtümlich meist für das Wachstum der inneren Brust oder der Bizepshöhe gehalten wird, ist nichts wieder als ein allgemeines Zunehmen der Muskelmasse oder eine gegebenenfalls gesteigerte Definition.

Nr. 2: Es gibt einen Fettverbrennungspuls und eine 20-Minuten-Regel

Oft wird behauptet, eine effektive Fettverbrennung beim aeroben Training würde nur dann stattfinden, wenn die Pulsfrequenz bei 120 bis 130 Schlägen in der Minute liege. Training bei einer höheren Pulsfrequenz würde kein Körperfett mehr verbrennen, sondern ein Konditionstraining sein, bei dem man eher Muskelmasse verliere. Zusätzlich hätte das Training im Fettverbrennungsbereich den Vorteil, dass man direkt Körperfettdepots abbaut und dabei keine Diät halten müsse.

Jede Art von körperlicher Belastung benötigt Energie. Diese wird sowohl durch die Verbrennung von Glucose aus den muskulären Glykogenspeichern, als auch durch die Verbrennung von Fetten bereitgestellt. Beide Arten der Energiegewinnung sind parallel zu sehen, lediglich der jeweilige prozentuale Anteil ist unterschiedlich, abhängig vom Belastungsgrad. Die weitverbreitete Meinung, dass beim Training im Fettverbrennungsbereich die Energie lediglich aus Fett gewonnen wird, ist also ein Irrglaube. Es gibt hier kein entweder/oder, sondern nur ein sowohl/als auch, also ein Miteinander. Im Fettverbrennungsbereich ist zwar das Verhältnis von verbrannter Energie aus Fetten zur Energie aus Glucose am Besten. Nur, steigert man die Belastung, so wird dieses Verhältnis zwar ungünstiger, es wird aber trotzdem noch mehr Energie in Form von Fetten verbrannt. Dieses liegt daran, dass zwar prozentual gesehen weniger Fett verbrannt wird, der Gesamtverbrauch an Energie aber steigt, wodurch ebenfalls die absolute Menge verbrannter Fette zunimmt.

Ein weiterer Irrtum ist, dass die Fettverbrennung beim aeroben Training erst nach etwa 20 min, beginnt, also vorher die verbrauchte Energie lediglich aus den muskulären Glykogenspeichern gewonnen wird, die dafür erst geleert werden müssten. Dieses ist so aber nicht richtig. Die Art der Energiebereitstellung wird fast vollständig von der Intensität der körperlichen Belastung bestimmt, nicht von ihrer Dauer. Das bedeutet, dass sowohl bei niedriger als auch bei hoher Trainingsintensität die Energie von Anfang an sowohl aus den Glykogenspeichern als auch aus Fetten gewonnen wird. Letztere werden dabei nicht nur aus dem Fettgewebe bezogen, sondern auch aus den muskulären Fettspeichern.

Nr. 3: Tägliches umfangreiches Bauchtraining verbrennt Fett lokal am Bauch

Über den Verlust von Körperfett entscheidet nicht die Übungsauswahl, sondern einzig und allein eine negative Energiebilanz, d.h. man muss weniger Kalorien zuführen als der Körper benötigt. Durch das Gewichtstraining erhöht man den Kalorienumsatz. Dieses passiert umso mehr, je größer die Anzahl und Größe der einbezogenen Muskelgruppen in eine Übung ist, sowie der zurückgelegte Weg und die Intensität sind.

Gerade Bauchtraining ist deshalb zum Erhöhen des Umsatzes eigentlich eher wenig geeignet, da einmal die Bauchmuskulatur zwar eine großflächige, aber auch dünne und damit relativ kleine Muskelgruppe darstellt, aber auch die Bewegungsamplitude der Bauchübungen sehr gering ist. Beim Bauchpressen hebt man lediglich den oberen Rücken leicht vom Boden. Wesentlich effektiver wäre hier ein Training der großen Muskelgruppen wie Kniebeugen, Kreuzheben, etc. Natürlich sollte das Bauchtraining in einer Definitionsphase nicht vernachlässigt werden, da das Bauchmuskelrelief ja plastisch herausgearbeitet werden soll. Fett lokal am Bauch verliert matt dadurch allerdings nicht. Ebenso ist es nicht nötig den Bauch täglich zu trainieren. Der Bauch ist eine Muskelgruppe wie jede andere auch und reagiert ebenso wie diese auf tägliches, intensives Training, nämlich mit Übertraining. Will man das Bauchmuskelrelief effektiv trainieren, so sollte der Bauch ebenso wie jede andere Muskelgruppe nur einmal in einem Trainingszyklus beansprucht werden. Leider baut der Körper fast immer gerade dort das Fett am schwersten ab, wo man es am meisten loswerden möchte. Hier hilft leider nur intensives Training in Verbindung mit einer vernünftig geplanten Ernährung, wenn das Waschbrett kein Traum bleiben soll, auch wenn man durch eine solche Aussage viele Illusionen zerstört.

Nr. 4: Kniebeugen sind selbst bei korrekter Technik schlecht für die Knie

Kniebeugen sind genau so gesund oder ungesund wie jede andere Übung. Nicht die Übung ist das Problem, sondern die Ausführung. Ein weit verbreiteter Fehler ist z.B., ein Brett unter die Fersen zu legen, um damit mangelnde Flexibilität im Waden- oder Hüftbereich auszugleichen. Oder ein weiteres Problem ist den Kopf zu weit in den Nacken zu legen und dadurch den Rücken zu weit nach vorne zu legen.

Nr. 5: Die Muskeln zu definieren erfordert höhere Wiederholungszahlen

Noch immer ist die Auffassung verbreitet, dass man in einer Definitionsphase die Wiederholungszahlen erhöhen sollte, da auf diese Weise das Fett abgebaut wird und der Muskel besser geformt. Zwar ist zu beobachten, dass die Zahl verbrannter Kalorien bei höheren Wiederholungszahlen etwas gesteigert wird durch das hierfür niedrigere Gewicht, aber bei weitem nicht so stark wie früher angenommen. Um effektiver eine bessere Definition zu bekommen und Fett zu verlieren. müssen Sie den Körper in eine negative Kalorienbilanz bringen, entweder durch das Einbauen von zusätzlichem Training z.B. auf dein Ergometer, um den Kalorienverbrauch bei gleichbleibender Ernährung zu steigern, oder durch das Einschränken der Nahrungszufuhr, sprich eine Diät.

Dafür hat das drastische Steigern der Wiederholungszahlen aber einen anderen negativen Effekt. Wenn die Muskulatur vornehmlich im Bereich niedriger bis mittlerer Wiederholungen aufgebaut wurde, so wurde durch das entsprechende Training auch vornehmlich der Anteil der weißen, schnellkontrahierenden Muskelfasern (fast twitch fibers) trainiert und aufgebaut. Wird nun der Wiederholungsbereich drastisch erhöht, so verschiebt sich der Trainingsanreiz stärker hin zu den roten, langsam kontrahierenden Muskelfasern (slow twitch fibres). Nun passiert jedoch folgendes: Der Körper bekommt einerseits nicht mehr den vollen Traininganreiz für die trainierten weißen Muskelfasern, d.h. er beginnt diese langsam abzubauen. Im Gegenzug versucht der Körper durch den neuen Reiz die roten Muskelfasern aufzubauen. Hierfür fehlt ihm aber durch die negative Kalorienbilanz die nötige Nährstoffzufuhr. Das Ergebnis ist also letztlich ein Verlust an Muskelmasse.

Nr. 6: Zum Aufbau von Muskelmasse muss man eine Kalorienmast betreiben

Viele Athleten sind seit jeher der Meinung, dass man in einer Massephase nur dann vernünftig Muskulatur aufbauen kann, wenn man sein Körpergewicht ordentlich steigert. Dahinter steckt oft der Gedanke, dass grundsätzlich zwischen zwei Phasen unterschieden wird, der Massephase und der Definitionsphase. In der Massephase wird stark zugenommen, ruhig auch etwas Fett, und in der Definitionsphase dann die Muskulatur herausgearbeitet.

Nr. 7: Es gibt Masseübungen und Definitionsübungen

Gerade bei der allgemeinen Unterscheidung zwischen Masse- und Definitionsübungen zeigt sich, dass manche Athleten die grundlegenden Prinzipien nicht verstanden haben. Nach dem allgemeinen Glauben sind es ja die sogenannten Masseübungen, die die Muskeln aufbauen, während die Definitionsübungen dazu dienen, die Muskeln zu definieren.

Die richtige Unterscheidung würde vielmehr lauten, dass es Eingelenks- und Mehrgelenksübungen gibt. Eine typische Eingelenksübung, auch Isolationsübung genannt, sind z.B. Fliegende auf der Flachbank, während eine Mehrgelenksübung das Bankdrücken wäre. Dabei ist der limitierende Punkt bei einer Eingelenksübung der Bewegungsabschnitt, in dem der Muskel am meisten Kraft aufwenden muss, um das Gewicht zu bewegen. Um beim Beispiel der Fliegenden zu bleiben ist hier der limitierende Punkt in der Phase der Bewegung zu sehen, in der der Arm parallel zum Boden steht. Beim Langhantelcurl wäre es analog der Moment, in dem der Arm um 90 Grad angewinkelt ist. Es gibt natürlich auch Eingelenksübungen an Maschinen, z.B. Beinstrecken. Hier wird versucht durch Einsatz eines Exzenters, die Kraftkurve einer Übung optimal an die verschiedenen Kraftbereiche eines Muskels anzupassen.

Nr. 8: Frauen müssen anders trainieren als Männer

Wenn ich eine Frau erstmals trainiere ist sie oftverwundert, dass in dem selben Zirkel ein Mann trainiert. Warum nicht. Die Muskulatur einer Frau unterscheidet sich nicht von der eines Mannes, erst recht nicht faserspezifisch. Der Unterschied zwischen beiden Geschlechtern ist lediglich der unterschiedliche Hormonhaushalt. Das ist auch der Grund, wieso eine Frau auf natürlichem Wege niemals die gleiche Muskelmasse aufbauen könnte wie ein Mann.

In der Praxis bedeutet das, dass eine Frau genauso trainieren muss wie ein Mann, um Erfolg zu haben, auch wenn Erfolg für sie „nur" bedeutet, dass sie eine straffe sportliche Figur bekommt. Sie braucht weder einen höheren Wiederholungsbereich noch spezielle Maschinen um ihre Problemzonen zu trainieren. Die einzige Einschränkung beim Training für Frauen sollte man beim Training bestimmter Körperpartien wie Waden und Nacken machen, die in der heutigen Gesellschaft als unweiblich angesehen werden.

Das von Frauen immer wieder angebrachte Argument, dass sie beim Beintraining sofort an den Oberschenkeln Muskeln zulegen, so dass die Hosen nicht mehr passen, hat einen ganz anderen Grund. Frauen besitzen gerade an den Oberschenkeln und dem Po einen deutlich höheren Fettgehalt als Männer. Beginnen sie nun mit einem gezielten Krafttraining für diese Muskelpartien, so erhöht sich nach ein paar Trainingseinheiten der Muskeltonus, also die Grundspannung im Muskel. Nur, dies ist kein Muskelwachstum, sondern lediglich der gewünschte erste Straffungseffekt. Trainiert sie aber in der gleichen Weise weiter, so wird sie, entsprechende Ernährung vorausgesetzt, an den Oberschenkeln an Umfang verlieren und zudem eine schönere Beinform bekommen.

Nr. 9: Hört man mit dem Training auf, so werden die Muskeln automatisch zu Fett

Noch immer hält sich der Irrglaube, dass mit Beendigung des Krafttrainings die Muskeln anfangen, sich in Fett zu verwandeln. Hört man mit dem Kraftsport auf, so fehlt der entsprechende Trainingsanreiz für die Muskulatur. Darauf reagiert der Körper indem er beginnt, Muskulatur abzubauen. Je größer der Verlust an Muskulatur, desto größer ist allerdings die Wahrscheinlichkeit, dass die Haut ein wenig länger braucht, um sich an die verkleinerten Umfänge anzupassen. Mit der Zeit reguliert sich das jedoch.

Wird ein Sportler nach dem Ende seiner Trainingszeit fett, so hat das eine ganz andere Ursache: Er ißt immer noch genauso wie zu der Zeit, in der er Sport getrieben hat. Nur, durch die jetzt eingeschränkte körperliche Aktivität ist der Kalorienumsatz auch geringer. Deshalb sollte natürlich die Energiezufuhr dementsprechend angepasst werden. Geschieht das nicht, so speichert der Körper die überschüssigen Kalorien als Fett. Natürlich sollte man nie abrupt mit dem Sport aufhören, wenn man vorher leistungsorientiert trainiert hat. Der Grund hierfür ist aber vielmehr, dass der gesamte Organismus mit seinem Herz-Kreislauf-System an die sportliche Belastung gewöhnt ist. Fällt die auf einmal weg, so kann der Körper gegebenenfalls mit dem Herz-Kreislauf-System Probleme kriegen. Daher sollte man zum Ende seine Karriere immer langsam abtrainieren.

Nr. 10: Krafttraining macht den Körper steif und unbeweglich

Bei richtig geplantem Training ist genau das Gegenteil der Fall. Nicht umsonst ist heute in fast jeder Sportart, die den Einsatz des Körpers erfordert, das Krafttraining ein zentraler Punkt im Training. Um seine Flexibilität beim Kraftsport zu erhalten bzw. zu steigern ist es allerdings unumgänglich, dass man die Übungen immer über den gesamten Bewegungsablauf ausführt. Hierdurch wird vermieden, dass der Kraftanstieg in bestimmten Bereichen der Bewegung überproportional steigt und damit die Stütz- und Gegenmuskulatur, die für ein Kraftgleichgewicht der Muskelgruppen verantwortlich ist nicht ausreichend belastet wird. Ein positiver Nebeneffekt ist hierbei übrigens, dass die Verletzungsgefahr durch zu punktuelle Kraftzuwächse sinkt.

Neben dem Krafttraining sollte im Anschluss ein Dehnen der trainierten Muskulatur erfolgen, um die Flexibilität weiter zu fördern. Vor allem nach dem Training, wenn eine aufgepumpte Muskulatur die Beweglichkeit behindert, kann ein gutes Dehnprogramm hier gute Dienst leisten. Wichtig ist jedoch, dass das Dehnen nicht vor dem Krafttraining erfolgt, da einmal die Muskulatur hier noch kalt ist und es möglicherweise zu Verletzungen kommen kann, und zum Anderen wird durch das anschließende Krafttraining die Muskulatur wieder verkürzt, so dass der Dehnungseffekt wieder zerstört wird.