Sonntag, 13. Mai 2018

HST - Hypertrophie Spezifisches Training im Crossfit


CrossFit wird verstanden als funktionelle Bewegung unter hoher Intensität bei konstantem Gewicht. Der Schwerpunkt im Crossfit liegt bisher auf dem Abrufen eines hohen funktionellen Leistungsstand des Bewegungsapparates und das über einen vorgegebenen Zeitraum. Im klassischem Verstädnis wird die hohe Intensität durch ein Intervall erzeugt, bei dem ein vorgewähltes Gewicht in einer definierten Zeit möglichst oft bewegt werden soll oder aber es wird eine Wiederholungszahl vorgegeben, welche in einer möglichst geringen Zeit durchgeführt werden soll.

Wenn man hierzu in den Alltag von Crossfitboxen schaut, kann man festellen, dass sich die Trainer um saubere Technik und um möglichst viel Abwechslung bemühen. Es gibt auch Trainingseinheiten die so aufgebaut sind, dass man einen Krafteil entweder vor oder nach dem WOD setzt. Allerdings wird hierbei der Umsetzung von Intensitätstechniken keine Aufmerksamkeit geschenkt. Hierzu soll ein Ansatz aufzeigen, dass man gerade im Crossfit mit der einen oder anderen Intensitätstechnik noch bessere Leistungen erzielen kann.
„HST“ - „Hypertrophie Spezifisches Training“ ist eine Technik die aus dem Bodybuilding und Powerlifting stammt. Hierbei wird so ziemlich alles über den Haufen geworfen, was von HIT an fundamentalen Trainingsprinzipien aufgestellt wurde. Proklamierte HIT noch möglichst kurze Trainingseinheiten, diese aber bis zum Muskelversagen und darüber hinaus bei eher wenigen Trainingseinheiten, so verkehrt HST dieses in das komplette Gegenteil. Hier wird gefordert, dass man häufig trainiert bei sehr vielen Sätzen, die aber alle nicht bis zum Muskelversagen gehen. Im Gegenteil, Muskelversagen wird hier nicht gewollt. Daher schreit diese Technik gerade nach einer Umsetzung im Crossfit.

Vier Regeln gilt es zu beachten

Ein erfolgreiches Training hat vier Grundregeln zu folgen, um eine Hypertrophie, also Muskelwachstum auszulösen:

1. Mechanische Belastung (mechanical load)

Damit ein Muskel wachsen kann, muß er gegen einen Widerstand belastet werden. Hierdurch werden verschiedene Faktoren wie MAPk/ERK (mitogen aktivierte Proteinkinase/extra-zellulär Signal regulierte Kinase), Satellitenzellen, Wachstumsfaktoren, Kalzium und eine Reihe weiterer, bis heute noch nicht ausreichend erforschter Faktoren, einbezogen.

2. Häufige Trainingsbelastung (frequent load)

Damit die mechanische Belastung auch in Muskelhypertrophie resultiert, muß sie ausreichend oft vorgenommen werden. Heute geht man davon aus, dass viele durch das Training angeregte Wachstumsfaktoren wie erhöhte Synthese von Proteinen, Prostaglandinen, IGF-1 und einige mehr, nach 36-48 Stunden wieder auf ihrem Ausgangsniveau sind. Daher geht der Ansatz des HST davon aus, dass eine lediglich einmalige Belastung pro Woche, wie sie bei HIT-Trainingssystemen angesetzt werden zu wenig ist.

3. Progressive Gewichtssteigerung (progressive load)

Mit der Zeit passt sich der Muskel an die Gewichte an, so dass sich mit der gewählten mechanischen Belastung keine weitere Adaption mehr einstellt. Dieses kann bereits innerhalb von 48 Stunden bis zur nächsten Trainingseinheit geschehen. Auch wenn weiterhin neurale (nervliche) oder metabole (Stoffwechsel-) Anpassungen im Körper auftreten, so kann doch die Hypertrophie bereits zu einem Stillstand gekommen sein. Zu diesem Zeitpunkt ist es folglich nötig, die mechanische Belastung, also das Gewicht, zu erhöhen. Es sei in diesem Zusammenhang allerdings darauf hingewiesen, dass die Entwicklung von Kraft nicht nur etwas mit Hypertrophie, also der Vergrößerung der Muskulatur, zu tun hat. Bei der Vergrößerung der Kraft spielen vielmehr auch neurale Anpassungen eine sehr große Rolle.

4. Strategische Dekonditionierung (strategic deconditioning)

Die andere Möglichkeit ist, wenn der Körper sich an eine Belastung gewöhnt hat, bzw. keine weitere Steigerung mehr möglich ist, dass man den Grad der Anpassung (Konditionierung) verringert (dekonditioniert). Die Muskulatur reagiert nicht nur auf eine möglichst große Gesamtbelastung, sondern auch, wenn man diese vergrößert oder verringert, selbst wenn die Belastung nicht maximal ist, vorausgesetzt der Grad der Veränderung ist nicht zu groß. Auch hier gibt es eine Grenze, Sie können also die Belastung nicht unendlich erhöhen. Irgendwann kommen Sie an einen Punkt, an dem der Körper nicht mehr mit weiterem Wachstum reagiert, sondern alle Anstrengung im Training nur noch dazu dient, den Status Quo zu erhalten. An diesem Punkt ist eine Dekonditionierung erforderlich, um dem Körper die Gelegenheit zu geben, wieder auf neue Wachstumsreize reagieren zu können. Mit anderen Worten: Man macht eine Trainingspause. Übrigens hat die Dekonditionierung auch den positiven Effekt, auftretende Überlastungserscheinungen wie Sehnenreizungen oder Übertrainingssymptome auszukurieren.

Diese vier Regeln liefern die Grundlagen für jedes HST-System.

  • Das Trainingsgewicht muss immer gesteigert werden, es darf nie reduziert werden.
  • Ist ein Gewicht zu hoch, so wird niemals das Gewicht, sondern die Wiederholungszahl reduziert.
  • Mindestens 3 Trainingseinheiten pro Woche für jede Muskelgruppe. Der Grund hierfür liegt in der Anregung der Wachstumsfaktoren für lediglich 36-48 Stunden nach einer Trainingseinheit. Bei weniger Trainingseinheiten wären die Pausen zu groß, so dass sich die Muskulatur erst an den Trainingsreiz anpassen und anschließend wieder zurückbilden würde.
  • Kein Training bis zum Muskelversagen. Das zentrale Nervensystem (ZNS) wird beim Training mit Muskelversagen wesentlich mehr beansprucht, als beim Training ohne Muskelversagen. Die Konsequenz ist, dass beim ständigen Training mit Muskelversagen bei hoher Trainingsfrequenz sich nicht nur ein Summationseffekt für die Wachstumsprozesse ergibt, sondern ebenfalls bei der Belastung des ZNS. Nun ist aber dieser Effekt bei der Muskulatur positiv zu bewerten und gewollt, bringt es einen doch auf die nächst höhere Hypertrophiestufe. Beim ZNS hingegen machen sich irgendwann Ermüdungserscheinungen bemerkbar, Sie kommen ins Übertraining.
  • Nur 1-2 Sätze pro Übung. Aus der möglichen Überbelastung des ZNS resultiert auch, dass man nicht zu viele Sätze für jede Übung durchführen sollte. Der erste Satz einer Übung ist für die Stimulierung von Muskelwachstum der effektivste. Das maximale Trainingsvolumen hängt von vielen Faktoren wie Alter, Regenerationsfähigkeit, Trainingszustand, etc. ab. Im Zweifel sollte man es erst einmal mit niedrigerem Volumen probieren, bevor man eine Überbelastung des ZNS provoziert. Um folglich auch mit diesem relativ geringen Trainingsvolumen je Trainingstag und Körperpartie eine maximale Anzahl an Muskeln zu stimulieren, sollte das Training überwiegend aus Grundübungen aufgebaut sein, die als Mehrgelenksübungen größere Muskelbereiche beanspruchen.
  • Die Pausentage sind einhalten. Um die hohe Trainingsfrequenz von mindestens 3 Trainingseinheiten in der Woche dauerhaft absolvieren zu können, ist es unbedingt erforderlich, dem Körper an den trainingsfreien Tagen Zeit zur Regeneration zu geben. Dieses dient dazu kleinere Verletzungen zu vermeiden und Überlastungssymptome zu vermeiden. Wenn man nebenher ein aerobes Training absolvieren möchte, so kann ein solches an diesen Tagen eingebaut werden. Allerdings muß beachtet werden, die Einheiten nicht zu lang und zu intensiv zu gestalten. Empholen ist eine maximale Dauer von 20-40 Minuten.

Von der Theorie zur Praxis

Beim klassischen HST werden die bisherigen Vorgaben in einen einfachen Trainingsplan umgesetzt. Ein Makrozyklus dauert 8 Wochen und untergliedert sich wiederum in 4 Mikrozyklen von jeweils zwei Wochen. Empfohlen wird zudem einen Maximalgewichtstest und eine Dekonditionierungsphase voranzustellen.

Um der Vorgabe der ständig wachsenden Gewichte Rechnung zu tragen, werden die verschiedenen Mikrozyklen nach zu bewältigten Wiederholungszahl unterteilt. Innerhalb der Mikrozyklen wird dabei von Trainingseinheit zu Trainingseinheit das Gewicht gesteigert, bis es am Ende am vorher ermittelten Maximum für die jeweilige Wiederholungszahl angekommen ist. Hierbei werden 3 Trainingseinheiten pro Woche für jede Muskelgruppe absolviert. Als sinnvolle Gewichtssteigerungen haben sich 5-10 kg für den Unterkörper, sowie 2,5 - 5 kg für den Oberkörper erwiesen. Da nach dem Durchlauf des Mikrozyklus keine weitere Erhöhung des Gewicht möglich ist, wird folglich das Gewicht für den nächsten Mikrozyklus anfangs reduziert und dann wird das Gewicht gesteigert, bis auch hier das Maximum erreicht ist. Die üblichen Zahlen für die jeweiligen Zyklen sind dem Crossfit abgepasst mit 21, 15, 9 Wiederholungen.

Vor Beginn des ersten Mikrozyklus erfolgt der Maximalgewichtstest, in dem die jeweiligen Ausgangsgewichte ermittelt werden. Daran im Anschluß erfolgt eine einwöchige Dekonditionierung, bevor mit dem ersten Mikrozyklus für 21 Wiederholungen begonnen wird. Auf diesen folgen der 15er-Mikrozyklus und der 9er-Mikrozyklus.

Mit dem Erreichen des Maximalgewichts im dritten Mikrozyklus mit 9 Wiederholungen schließt sich als vierter Mikrozyklus mit 5 Wiederholungen an. Im Anschluss an einen solchen Zyklus emphielt es sich eine Pause von einer Woche zu machen.

Ein Beispiel

Die Vorgabe der häufigen Trainingsbelastung bringt es mit sich, dass sie einen Muskel mindestens 3x/Woche trainieren müssen. Entsprechend dem Verstädnis von HST wird nicht bis zum Muskelversagen trainiert. Wichtig ist das Gewicht stets zusteigern.

Vor Beginn des Plans wird ein Test durchgeführt, bei dem das Maximalgewicht für die drei Wiederholungsbereiche ermittelt wird. Darauf beziehen sich anschließend die Gewichtsvorgaben für die kommenden Wochen. Nach dieser Bestimmung des Trainingsgewichts folgt die Dekonditionierung, also eine Trainingspause, welche 1 - 2 Wochen dauern sollte. Anschließend geht es mit dem eigentlichen Trainingsplan weiter. Sie starten mit dem ersten Mikrozyklus, in dem 15 Wdh. jeder Übung absolviert werden. Das Startgewicht errechnet sich, wie beschrieben, aus dem 15 RM, also dem ermittelten Maximalgewicht für 15 Wiederholungen, von dem man wiederum für jede Trainingseinheit die gewünscht Steigerungsrate abzieht.

Startgewicht = 100% - Steigerungsrate x (Trainingseinheiten -1)

Im Beispiel ist z.B. das Startgewicht im 21er-Mikrozyklus bei Kniebeugen gleich 100 kg – 7,5 kg x (6 – 1), also 62,5 kg. In jeder folgenden Trainingseinheit erhöhen Sie das Gewicht nun um 7,5 kg, bis sie am Ende des Mikrozyklus auf ihrem Maximalgewicht von 100 kg angekommen sind.

Ganzkörpersplit nach HST-Prinzipien

1 + 2 Woche Kniebeuge mit 2 Sätzen bei 100 RM mit 7,5 kg Steigerung von 62,5 - 100 kg

3 + 4 Woche Kniebeuge mit 2 Sätzen bei 120 RM mit 5 kg Steigerung von 100 - 120 kg

5 + 6 Woche Kniegeuge mit 2 Sätzen bei 140 RM mit 10 kg Steigerung von 120 - 140 kg

1 + 2 Woche Kreuzheben mit 2 Sätzen bei 90 RM mit 5 kg Steigerung von 65 – 90 kg

3 + 4 Woche Kreuzheben mit 2 Sätzen bei 120 RM mit 5 kg Steigerung von 95-120 kg

5 + 6 Woche Kreuzheben mit 2 Sätzen bei 140 RM mit 10 kg Steigerung von 120 – 140 kg

1 + 2 Woche Bankdrücken mit 2 Sätzen bei 75 RM mit 5 kg Steigerung von 50 – 75 kg
 
3 + 4 Woche Bankdrücken mit 2 Sätzen bei 90 RM mit 2,5 kg Steigerung von 77,5 – 90 kg

5 + 6 Woche Bankdrücken mit 2 Sätzen mit 105 RM bei 2,5 kg Steigerung von 92,5-105 kg

1 + 2 Woche Schulterdrücken mit 2 Sätzen bei 60 RM mit 5 kg Steigerung von 47,5 - 60 kg

3 + 4 Woche Schulterdrücken mit 2 Sätzen bei 70 RM mit 5 kg Steigerung von 60 bis 70 kg

Eine weitere Steigerung des Gewichtssteigerung wird jetzt nicht mehr möglich sein, da ja bereits das Maximalgewicht erreicht ist. Laut Defnition ist aber ein zusätzliches Muskelwachstum nur dann möglich, wenn man das Gewicht steigert. Also greift nun die Vorgabe, dass, sofern keine weitere Gewichtssteigerung möglich ist, die Wiederholungszahl verringert wird. Also folgt der nächste Mikrozyklus, der nur noch 9 Wdh. umfasst. Hier wird wieder nach dem gleichen Schema verfahren, wie beim 15er-Mikrozyklus.

Das Startgewicht für den 15er-Mikrozyklus wäre also 120kg – 7,5 *(6 – 1) = 92,5 kg. Sie werden jetzt sagen: „Hey, das ist aber weniger als 100kg, das soll doch gerade nicht passieren!“.

Aus diesem Grunde greift hier eine Besonderheit, die sogenannte „Zig - Zag“ - Regel. Da ja das Gewicht nicht verringert werden darf, weil das Training nur dann effektiv ist, wenn man das Gewicht steigert oder konstant hält, nimmt man das Endgewicht des letzten Zyklus als Ausgang und steigert es nun bis zum 15 RM. Dabei kann das Gewicht aber auch mal für zwei Einheiten gleich bleiben. In unserem Fall würde also eine Steigerung um 10kg in Frage kommen, bei der in Einheit 1+2 der 15er-Zyklus mit 100kg trainiert wird, in den folgenden beiden Einheiten mit 110 kg und in den letzten beiden mit 120 kg. Eine weitere Möglichkeit wäre 100, 105, 110, 110, 115, 120. Entsprechend geht man im 9er-Mikrozyklus vor. Hier muß das Startgewicht der Zig – Zag - Regel auf 120 kg angepasst werden, also ebenfalls z.B. als Steigerungen 120, 120, 130, 130, 140, 140 haben.

Im Anschluß gibt es, wie beschrieben, zwei Möglichkeiten. Entweder Sie hängen zwei weitere Wochen an, in denen Sie mit dem Maximum für 5 Wiederholungen weitertrainieren, oder Sie absolvieren noch einen weiteren Mikrozyklus mit negativen Wiederholungen. Danach folgt eine strategische Dekonditionierung von mindestens einer Woche, bevor es an den nächsten Zyklus geht. In diesem erhöhen Sie dann die Maximalgewichte jeweils um 5 - 10 kg und verfahren wiederum genauso wie oben.