Freitag, 16. November 2018

Wieviel Sinn machen unsinnige Übungen

Wenn man sich mit den Artikel aus den Fitnesszeitschriften oder den Videos im Internet befasst wird man feststellen, dass immer neue Übungsvarianten vorgestellt werden. In der August-Ausgabe 2018 von „Muscle&Fitness“ wird in dem Artikel „Rock Hard Challende“ folgende Übung vorgestellt.

Kurzhanteldrücken im Knien (Bild aus Muscle&Fitness Ausgabe August 2018 Seite 43).

Und nun frage ich mich, was soll diese Übungsausführung bringen, außer Knieschmerzen. Eine Antwort auf den Mehrwert einer solchen Übungsausführung bleibt im Übrigen der Autor dieses Artikels schuldig. Wenn die Betonung dieser Übung auf die Kraftentwicklung in der Schultermuskulatur zielt und was anderes ist auch nicht erklärbar, dann wäre zu Hinterfragen, warum ich Schulterdrücken nicht im Sitzen oder Stehen ausführen soll und mir so die Knieschmerzen erspare. Probiert diese Übungsvariante aus und man stellt neben dem Druck auf die Knie noch zwei Probleme fest. Irgendwie müsst ihr eine schwere Kurzhantel ja umsetzen, um in die Ausgangsposition zu kommen. Versucht es im Knien. Das ist schwierig, weil man nicht genug Schwung holen kann, um das Gewicht auf Höhe der Schulter zu bringen. Also muss man es im Stehen ausführen und dann hinknien. Ich finde es unpraktisch aus einer starken Position in eine schwächere überzugehen, um letztendlich keinen Vorteil für die eigentliche Übung zu erzielen.

Als zweites Problem werdet ihr feststellen, dass man im knien sehr instabil in der Körpermitte wird. Damit wird die Konzentration auf die eigentliche Ausführung des Schulterdrückens verfälscht, weil man sich gleichzeitig auf die Stabilität in der Körpermitte konzentrieren muss.

Wenn man alleine trainiert kommt noch ein Problem hinzu. Will man bis zum Muskelversagen trainieren, dann kann man bei der Ausführung im Stehen, zum Schluss noch die eine oder andere Wiederholung erzwingen, weil man aus den Beinen mit Schwung nachdrücken kann.

Ein anderes Beispiel gefällig: Sumokreuzheben mit aufrechtem Rudern mit der Kurzhantel
(Bild aus Muscle&Fitness Ausgabe August 2018 Seite 56/57).


Wenn man sich die Übungsausführung anschaut, fällt einem bei der Stellung der Handgelenke auf, dass diese sehr stark abgeknickt sind. Ich weiß nicht, ob es sinnvoll ist sich einer Übung zu nähern, die bereits von vornherein auf eine deutliche Überbeanspruchung eines Gelenkes abzielt.

Betrachtet man die Anatomie der beanspruchten Muskeln bei dieser Übungsausführung stellt sich folgendes Problem dar.

Beim aufrechten Rudern werden vorrangig die oberen Muskelfasern vom Trapezmuskel im Nacken und die seitliche Schultermuskulatur (seitlicher Deltamuskulatur) trainiert. Beim Kreuzheben wird die Muskulatur der Oberschenkel und der Rückenstrecker hauptsächlich angesprochen. Wenn man sich mit der Anatomie der beanspruchten Muskeln weitergehend befasst, wird man feststellen, dass die Oberschenkelmuskulatur deutlich größer ist als die seitliche Schultermuskulatur. Daraus resultiert folgende logische Konsequenz. Ein größerer Muskel benötigt für seine Ermüdung eine größere Intensität als ein kleinerer Muskel. Auf die hier aufgezeigte Übung angewendet, kann es nur logisch sein, dass das Sumokreuzheben eine deutlich höhere Last benötigt, um die Oberschenkelmuskulatur zu ermüden als das aufrechte Rudern. Folglich schafft diese Übungsausführung immer ein Defizit. Entweder man wählt das Gewicht so schwer, dass man die Oberschenkelmuskulatur anspricht, damit wird aber das aufrechte Rudern schlicht unmöglich. Will man das aufrechte Rudern mit einbinden, bleibt die Oberschenkelmuskulatur deutlich weniger beansprucht. Um es überspitzt auszudrücken, kann man nur dadurch Abhilfe schaffen, indem man zwei Jahre die Beine nicht und dafür nur das aufrechte Rudern trainiert.

Noch eine Übung gefällig – Zercher Kniebeuge
(Bild aus Muscle&Fitness Ausgabe August 2018 Seite 81).


Sicher kann man dieser Übungsausführung attestieren, dass man in eine sehr tiefe Kniebeuge gelangt bei sehr aufrechter Haltung des Oberkörpers. Allerdings wird jeder bestätigen, der diese Übung ausführt, dass der Zug in der Ellenbeuge sehr schmerzhaft ist. Nach meinem Geschmack gibt es bessere Alternativen wie Frontkniebeuge mit gekreuzten Armen oder Kreuzheben mit der Hexbar.

Genauso verhält es sich bei so manchem Programm, was einem so angeboten wird.

Ich weiß jetzt nicht mehr in welcher Zeitschrift ich diesen Artikel gelesen habe, er lautete so sinngemäß: Verbrennen sie mit diesem Programm in sechs Minuten jede Menge Fett. Der Autor eines solchen oder ähnlichen Artikels kann nur blöd sein oder den Leser für blöd halten. Warum? Geht man davon aus, dass man ein Programm nutzt mit welchem man (Frau) 1000 Kcal in der Stunde verbrennt. Solch ein Programm müssen sie erst einmal finden. Setzt man (Frau) weiter voraus, dass die Energiebereitstellung zu 50 % aus Fett generiert wird, hat man 500 Kcal an Fett verbrannt. Diesen Wert auf sechs Minuten runter gerechnet ergibt 50 Kcal verbranntes Fett. Ich bin jetzt großzügig und biete an, weil die Intensität in sechs Minuten höher sein kann als über eine Stunde, dass dann das Doppelt an verbranntem Fett dem/r Athleten/in zugebilligt wird, also 100 Kcal. Ein Kilogramm Körperfett wird mit einer Energiemenge von 7000 Kcal angegeben. Also müsste man das von diesem Autor angebotene Programm im Idealfall mindestens 70 mal ausführen, um ein Kilogramm Körperfett loszuwerden. Zu beachten gilt, dass ich hier den absoluten Idealfall berechnet habe.

Daher kann man solchen Autoren nur Blödheit attestieren, wenn sie solche Programme zum kurzfristigem Fettabbau anbieten. Nur um Missverständnissen vorzubeugen. Ich spreche damit niemanden ab, dass er durch ein Training mit solchen Programmen einen Fettabbau erreicht. Ich kritisiere nur, dass solche Artikel dem Leser einen schnellen Erfolg versprechen, der tatsächlich so nicht eintreten kann, es sei denn, sie können ein solches Programm in fünf Tagen eben 70 mal ausführen.

In der Novemberausgabe 2018 der Men´sFitness auf Seite 66 wird folgendes Programm vorgestellt:

AMRAP mit den Übungen in der Reihenfolge:

  • Kreuzheben
  • vorgebeugtes Rudern
  • Frontkniebeuge
  • Schulterdrücken.

Dieser Autor kann das Programm nicht mit einem intensivem Gewicht in dieser Reihenfolge ausgeführt haben, weil er sonst festgestellt hätte, dass er ein Problem bekommt. Welcher Muskel wird beim Kreuzheben und vorgebeugtem Rudern extrem hart beansprucht und ist zudem recht klein, die Unterarmmuskulatur. Mir kann keiner ernsthaft widersprechen, wenn er intensiv Kreuzheben ausgeführt hat, dass dann seine Griffkraft noch so ausreichend ist, dass er sofort intensiv vorgebeugtes Rudern ausführt. Zudem würde diese Übungsreihenfolge gleich zweimal nacheinander die unteren Rückenstrecker sehr stark belasten.

Ich habe das Programm in zweierlei Hinsicht umgestellt. Zum einen bevorzuge ich Programme, die möglichst den ganzen Körper ansprechen. Bei der vorangestellten Übungsauswahl bekommt die Brustmuskulatur nichts ab. Daher habe ich noch Dips mit eingebaut. Dazu habe ich die Übungsreihenfolge so umgestellt, dass etwas Luft bleibt, um die Unterarmmuskulatur zu erholen und zudem die Rückenstrecker zu entlasten. Mein Programm sah so aus:
  • Kreuzheben mit der Hexbar
  • Schulterdrücken
  • Frontkniebeuge
  • vorgebeugtes Rudern
  • Dips.