Die
Qualität und Wirksamkeit einer jeden einzelnen Proteinquelle steht
und fällt mit deren biologischen Wertigkeit. Daran gibt es nichts zu
rütteln. Die biologische Wertigkeit ist ein international
anerkannter Maßstab, der aussagt, wie viel von einer über die
Nahrung zugeführten Proteinmenge letztendlich vom Körper zur
Stickstoffspeicherung und damit zum Muskelaufbau verwendet werden
kann. Je höher die biologische Wertigkeit ist, desto besser kann
unser Organismus dieses Protein verarbeiten und desto wirksamer ist
es für das Muskelwachstum. Um die biologische Wertigkeit bestimmen
zu können, hat die Wissenschaft das Vollei mit einem Wert von 100
als Referenzwert herangezogen. Das Einzelprotein mit der höchsten
biologischen Wertigkeit ist Laktalbumin mit einem Wert von 104. Durch
eine geschickte Kombination verschiedener Proteinquellen lässt sich
dieser Wert sogar noch steigern. Ein gutes
Dreikomponentenproteinpulver aus Laktalbumin, Milchproteincaseinat
und Eialbumin (Eiklar) kann z.B. die biologische Wertigkeit von 124
erreichen.
Übersicht
– biologische Wertigkeit
- Dreikomponentenproteinpulver 124
- (Laktalbumin, Milchprotein, Eialbumin)
- Laktalbumin 104
- Vollei 100
- Rindfleisch 96
- Fisch 94
- Milch 88
- Käse 85
- Sojaprotein 76
Vergleicht
man diese Werte mit der biologischen Wertigkeit von Sojaprotein, so
schneidet letzteres leider nicht sehr gut ab. Sojaprotein besitzt
lediglich die biologische Wertigkeit von 76. Die Umwandlungsrate von
Sojaprotein zu Muskelgewebe ist dem zu Folge nicht sehr groß und
liegt deutlich unter der, des Laktalbumins. Ein weiterer negativer
Aspekt bei Sojaprotein ist, dass diese pflanzliche Proteinsorte die
sulfurhaltige Aminosäure Methionin vermissen lässt. Methionin ist
jedoch für die Proteinsynthese, das Immunsystem sowie für die
körpereigene Bildung von Glutathion absolut notwendig. Ebenfalls
muss bei Sojaprotein negativ bewertet werden, dass es sogenannte
'Anti-Nährstoffe' (Lektin und Anti-Proteasen) enthält, die die
Verdauung und Aufnahme anderer Nährstoffe blockieren können.
Lektine erschweren die Resorption von Nährstoffen über den Darm und
Anti-Proteasen hemmen die Arbeit von proteinspaltenden Enzymen.
Der
wohl schwerwiegendste Nachteil einer Sojaproteinzufuhr liegt
sicherlich darin, dass Sojaprotein den körpereigenen
Testosteronspiegel senkt. In einer klinischen Studie (Harbito RC, et
al. 'Effects of replacing meat with soybean in the diet on sex
hormone concentrations in healthy adult males.' Br J Nutr 2000 Oct;
84(4): 557-63) bei der männliche Probanden ihren Fleischkonsum durch
Sojaprotein ersetzt bekamen, hat eine Reduzierung der körpereigenen
Testosteronproduktion um 76 % ergeben.
Auch
der Gehalt an freiem, ungebundenen und damit aktivem Testosteron im
Blutkreislauf war bei der Sojagruppe deutlich niedriger als bei den
Fleischessern. Und hier handelt es sich nicht um die Resultate einer
Tierstudie, sondern um Ergebnisse bei gesunden, männlichen
Erwachsenen.
Und
wenn gerade über Soja gesprochen wird, sei angemerkt, dass Soja die
am meisten gentechnisch veränderte Pflanze ist.
Da
Testosteron das primäre muskelaufbauende Hormon des menschlichen
Organismus ist, würde sich jeder Athlet ein mächtiges Eigentor
schießen, wenn er durch eine falsche Nahrungsauswahl seinen
Testosteronspiegel quasi absichtlich in den Keller fährt.
Ein
weiteres Problem einer sojaproteinhaltigen Diät ist, dass
Sojaprotein reich an östrogenhaltigen Substanzen (Phytoöstrogene)
ist. Insbesondere die beiden Isoflavonoide Genistein und Diadzein in
Sojaprotein haben eine hohe Affinität zum Östrogenrezeptor und
entfalten eine östrogene Wirkung im Körper.
Mancher
Sojaproteinbefürworter wird nun an dieser Stelle behaupten, dass die
Östrogenwirkung dieser Substanzen extrem schwach ist und dass die,
durch Genistein und Diadzein bereits belegten Östrogenrezeptoren
davon abgehalten werden, mit anderen, weitaus stärkeren
Östrogenmolekülen eine wirksame Verbindung einzugehen. Nicht selten
sprechen Sojaproteinanhänger hier sogar von der antiöstrogenen
Wirkung des Sojaproteins. Diese Hypothese macht jedoch allenfalls bei
Frauen Sinn, die von Natur aus einen weit höheren Östrogenspiegel
haben als Männer. Hier könnte Sojaprotein eventuell hilfreich sein,
stärkere Östrogenverbindungen auszubremsen. Der männliche
Organismus verfügt hingegen über einen hohen Testosteronspiegel bei
nur minimalem Östrogenvorkommen. Der Körper eines Mannes reagiert
hier selbst auf die verhältnismäßig schwachen Phytoöstrogene des
Sojaproteins extrem sensibel. Die Folgen können vermehrte Fett- und
Wasserspeicherung, mögliche Verweiblichungserscheinungen an der
männlichen Brust sowie eine Reduzierung der Testosteronproduktion
sein. Vergessen wir nicht, Östrogene hemmen die
Testosteronproduktion beim Mann.
Athleten,
die Prohormone einnehmen tun sich mit einer Sojaproteinzufuhr
ebenfalls keinen Gefallen. Das im Sojaprotein enthaltene und bereits
angesprochene Isoflavonoid Genistein erschwert die enzymatische
Konvertierung von 4-Androstendiol zu Testosteron, da es die
Effektivität des Enzyms 3-Beta-Hydroxysteroid-Dehydrogenat
verringert.
Natürlich
hat Soja auch positive Wirkungen.
Einer
der Hauptvorteile von Sojaprotein liegt darin, dass die enthaltenen
Phytoöstrogene den Cholesterinspiegel und die Triglyzeridwerte im
Körper zu senken vermögen.
Für
die Gesundheit mag dies ein Vorteil sein, einen positiven Einfluss
auf das Muskelwachstum lässt sich daraus leider nicht direkt
ableiten.
Weiterhin
erhöht Sojaprotein die körpereigene Ausschüttung von
Schilddrüsenhormonen. Fest steht, dass Sojaprotein zu einem erhöhtem
Gehalt der beiden Schilddrüsenhormone T3 und T4 sowie des
schilddrüsenhormonstimulierenden Hormons TSH führt. Ein Umstand,
der hinsichtlich der Verbrennung von Körperfett positiv zu bewerten
ist. Zu beachten ist jedoch das Wechselspiel, dass die östrogene
Wirkung von Sojaprotein speziell beim Mann den fettabbauenden Effekt
einer vermehrten Schilddrüsenhormonmenge wieder teilweise zu nichte
machen kann. Ein weiterer Punkt, der für Sojaprotein spricht, ist,
dass die Sojabohne sehr ballaststoffreich ist und somit den
Verdauungsorganen Arbeit abnimmt.
Das
für Athleten wohl am positivsten einzustufende Merkmal einer
Sojaproteinzufuhr findet man in der Tatsache, dass das, mit modernen
Verfahren aus der Sojabohne extrahierte Sojaproteinisolat, reich an
BCAA's, Glutamin und Arginin ist. Bei einem qualitativ hochwertigen
Sojaproteinisolat machen die BCAA's Leucin, Isoleucin, Valin sowie
die beiden Aminosäuren Glutamin und Arginin zusammen fast 40 % des
Gesamtproteingehalts aus. Sowohl die BCAA's als auch Glutamin sind
für den Muskelaufbau wichtig und eine möglichst hohe Zufuhr ist für
das Erlangen einer anabolen Stoffwechsellage in der Muskelzelle
wünschenswert. Hier kann sich das Sojaprotein durchaus mit dem
Milchproteincaseinat messen.
Dies
zumal man den Sojaproteinherstellern zu Gute halten muss, dass sie
vermehrt dazu übergehen, dem Sojaproteinisolat die wichtige
sulfurhaltige Aminosäure Methionin zuzusetzen. Ein gutes
Sojaproteinprodukt enthält diese Aminosäure heutzutage. Weiterhin
ist es einer Reihe von Sojaproteinherstellern gelungen, das Vorkommen
der Anti-Nährstoffe wie z.B. Lektin und Anti-Proteasen durch einen
innovativen Herstellungsprozess zu minimieren.
Wenn
man die ausgeführten Fakten über Sojaprotein bewertet, so kann man
objektiv zu folgendem Fazit kommen:
Männliche
Athleten sollten auf jeden Fall komplett die Finger von allen
Sojaproteinpräparaten lassen. Die Gefahr einer signifikanten
Drosselung der körpereigenen Testosteronproduktion kann durch die
positiven Merkmale des Sojaproteins, wie hoher BCAA- und
Glutamingehalt nicht aufgehoben werden.
Zusätzlich
besteht die Möglichkeit einer leichten Verweiblichung der Brust bei
männlichen Athleten, hervorgerufen durch die Phytoöstrogene. Des
weiteren zwingt die relativ niedrige biologische Wertigkeit des
Sojaproteins den Athleten automatisch zu einem höheren
Proteinkonsum, um so die qualitativ schlechte Verwertung durch mehr
Quantität wett zu machen. Hier sind herkömmliche
Laktalbumin/Milchproteinkonzentrate dem Sojaprotein weit überlegen.
Insbesondere Athleten in einer Diätphase sollten einen großen Bogen
um Sojaprotein machen, da es in der Diät darauf ankommt, mit
möglichst qualitativ hochwertigen Proteinträgern einem möglichen
Verlust an Muskelmasse vorzubeugen. Sojaprotein erfüllt dieses
Kriterium definitiv nicht.
Auch
sollte derjenige der Prohormone nimmt, die Finger von Sojaprotein zu
lassen, da dies wie geschildert die Umwandlung des wirksamsten
Einzelprohormons 4-Androstendiol zu Testosteron beeinträchtigt. Es
kann nicht ausgeschlossen werden, dass Sojaprotein auch die
Wirksamkeit anderer Prohormone beeinträchtigt.
Wer
kann dann überhaupt Sojaprotein nehmen? Für zwei Personengruppen
könnte Sojaprotein vermutlich Vorteile bringen, wenn es der
Ernährung in Maßen (10-20 g Sojaproteinisolat pro Tag) zugesetzt
wird. Zum einen sprechen wir hier von Frauen, die von Natur aus einen
hohen Östrogenspiegel besitzen bzw. die die östrogenhaltige
Anti-Babypille einsetzen. Hier könnte Sojaprotein stärkere
Östrogenverbindungen blockieren und so beim Abnehmen hilfreich sein,
insbesondere wenn die Person gleichzeitig eine kalorienreduzierte
Diät durchführt, da hier die schilddrüsenhormon-stimulierende
Wirkung von Sojaprotein einer, aufgrund der Diät provozierten
körpereigenen Drosselung der Schilddrüsenhormonproduktion etwas
entgegen zu wirken vermag.
Die
zweite Personengruppe, denen Sojaprotein eventuell helfen könnte,
sind Athleten, die stark aromatisierende Steroide wie z.B. die
injizierbaren Testosteronester oder Dianabol bzw. Anapolon verwenden.
Hier könnte wiederum die schwache anti-östrogene Wirkung des
Sojaproteins, das, durch den Konvertierungsprozeß der Steroide
entstandene Östrogen teilweise in seiner Effektivität mindern. Wenn
man sich dazu noch vor Augen hält, dass Steroidkonsumenten häufig
einen erhöhten Cholesterinspiegel aufweisen, so ist der Verzehr
einer kleinen Menge Sojaproteins sicherlich ein Versuch wert. Da
Steroide ohnehin die körpereigene Testosteronproduktion deutlich
reduzieren, spielt hier die potentielle testosteronunterdrückende
Wirkung von Sojaprotein nur eine untergeordnete Rolle.
Abschließend
kann gesagt werden, dass es unter dem Gesichtspunkt der
Kraftentwicklung töricht wäre von Milchprodukten bzw.
Proteinpulverpräparaten bestehend aus Laktalbumin und
Milchproteincaseinat Abstand zu nehmen und dafür auf Sojaprotein
überzuschwenken. Der Aufbau von Muskelgewebe wird dadurch sicherlich
erschwert und verlangsamt. Allenfalls Steroidkonsumenten sowie Frauen
können mit einer kleinen Sojaproteinmenge experimentieren. Jedoch
sollte auch hier die Proteinhauptzufuhr über tierische Lebensmittel
erfolgen. Wer von letzteren beiden Personengruppen Sojaprotein einmal
ausprobieren möchte und sichergehen will, dass er kein
genmanipuliertes Sojaprotein auf seinem Speiseplan vorfindet, sollte
sich vom Vertreiber bzw. Hersteller garantieren lassen, dass dem
nicht so ist. Das gilt insbesondere für den Erwerb von
Sojaproteinpulver.