Donnerstag, 22. Dezember 2016

Die biologische Wertigkeit von Protein als Ré­su­mé einer veganen Ernährung

Durch jede Tätigkeit werden Proteine verbraucht. Demzufolge müssen sie durch neue ersetzt werden. Im Normalfall, wenn keine körperlichen Extrembelastungen oder keine Krankheit vorliegt, entstehen genau so viele neue Proteine, wie verbraucht wurden. Der Proteinumsatz wird durch den Umsatz des für den Proteinaufbau zuständigen Stickstoffs gemessen - die Stickstoffbilanz. Die Stickstoffbilanz eines Erwachsenen beträgt Null, es wird ein Stickstoffgleichgewicht beibehalten.

Für die Aufrechterhaltung einer ausgeglichenen Stickstoffbilanz, müssen nicht so viele Proteine zugeführt werden, wie verbraucht wurden. Die Hälfte der verbrauchten Menge wird durch das Protein aus dem körpereigenem Recycling aufgefüllt. Es handelt sich um das körpereigene (endogene) Protein, das bereits ein Mal verbraucht und wieder aufgebaut wurde. Es reicht also, dass mit der Nahrung die fehlende Hälfte gedeckt wird.

Beachtet werden muss, dass ein Protein nicht dem anderen gleich ist. Im Grunde genommen, kann kein Nahrungsprotein, das in gleicher Menge wie vom Körper verbraucht, eingenommen wird, die Stickstoffbilanz im Organismus genau im Gleichgewicht halten.

Daher bedarf es der Bestimmung der biologischen Wertigkeit der Proteine = BW.

Die biologische Wertigkeit ist das Maß dafür, wie gut sich ein Protein aus der Nahrung in ein körpereigenes Protein umwandeln lässt. Hierzu gilt folgende Formel.

Die Stickstoffmenge, die im Körper verbleibt, geteilt durch die Stickstoffmenge, die man durch den Eiweißverzehr aufgenommen hat.

Diesen Wert multipliziert man anschließend mit der Zahl 100.

Ein Beispiel: Nimmt eine Person 100 Gramm Eiweiß auf, von denen 80 Gramm im Körper verbleiben und in körpereigenes Eiweiß umgebaut werden, beträgt die biologische Wertigkeit 80 / 100 x 100 = 80.

Nach dieser Formel kann die biologische Wertigkeit niemals den Wert 100 überschreiten. Ein Wert über 100 würde bedeuten, dass der Körper mehr körpereigenes Eiweiß erzeugen kann, als ihm zugeführt wurde – dies ist nicht möglich.

In der Praxis bedeutet das Folgendes. Gesetzt dem Fall man will 70 g an Protein ausgleichen. Ausgehend von der biologische Wertigkeit des Hühnereiproteins von 88, müssen zum Ausgleich der Stickstoffbilanz nicht 70, sondern ca. 80 g (70 g: 88 % = 79,55 g) aufgenommen werden.

Der BW 79 ist die Kennziffer der biologischen Wertigkeit des Hühnerbrustproteins. Zum Ausgleich der Stickstoffbilanz müssten daher ca. 89 g davon gegessen werden. Entschieden schlechter sieht es mit den pflanzlichen Proteinen aus. Z. B. müsste man bis zu 116 g des Kartoffelproteins verzehren, denn sein BW beträgt lediglich 60!

Es wird geschätzt, dass der durchschnittliche Bedarf eines Sportlers doppelt so groß wie der eines normalen, gesunden, wenig aktiven Mannes ist. Also sollte der Sportler nicht 70 sondern 140 g Protein, umgerechnet auf das Protein mit dem BW von 100, verzehren. Wenn man den BW der einzelnen Proteine kennt, ist es einfach auszurechnen, dass man hier ca. 160 g Hühnereiprotein benötigt, und ca. 180 g Hühnerprotein.

Die besten Nahrungsproteine können einen BW-Wert in Höhe von annähernd 100 erreichen, z. B. das Eialbumin (BW 99), sie können diesen Wert aber nicht überschreiten! Bei jedem Nahrungsprotein zerfällt über das Optimum hinaus immer mehr von diesem Protein, als es in die organischen Strukturen eingebaut wird, was dazu führt, dass zum Ausgleich der Stickstoffbilanz mehr von dem Protein benötigt wird, als es beim endogenen Protein der Fall ist. Daher ist die biologische Wertigkeit BW der Proteine kleiner als 100!

Die Existenz eines Proteins mit einem BW größer 100 ist unmöglich! Ein Koeffizient über 100 würde bedeuten, dass mehr von dem Protein eingebaut wird als zersetzt und eliminiert wird, was bereits an sich eine positive Stickstoffbilanz darstellt - anaboler Effekt. Das widerspricht dem bisherigen Wissenssatz, der besagt, dass das eingenommene Protein im Organismus nicht, wie z. B. Fette und Kohlenhydrate gespeichert wird. Im erwachsenen Leben, unter normalen Bedingungen gilt, dass wenn wir mehr Protein als es zum Ausgleich der Stickstoffbilanz nötig ist, verzehren, der Überschuss abgebaut und aus dem Organismus beseitigt wird - das Stickstoffgleichgewicht bleibt erhalten - die Stickstoffbilanz ist gleich Null.

Wenn wir jedoch den Organismus einer starken Überlastung aussetzen, z. B. dem Sporttraining, fängt er an mehr von den anabolen Hormonen zu produzieren, welche die Proteinsynthese intensivieren und es somit ermöglichen das Protein im Körper beizubehalten - der Aufbau einer positiven Stickstoffbilanz. Es sind die Hormone und nicht direkt die aufgenommene Proteinmenge, die über den Wert der Stickstoffbilanz endgültig entscheiden!

Soweit man in der Literatur Nahrungsmittelkombinationen findet, die eine biologische Wertigkeit von mehr als 100 erreichen, ist dies zu den vorangestellten Aussagen kein Widerspruch. So soll zum Beispiel eine Kombination aus Eiern und Kartoffeln eine biologische Wertigkeit von 136 ergeben.

Genau genommen handelt es sich dabei allerdings nicht um die biologische Wertigkeit, sondern um den sogenannten "Chemical Score" (CS). Um den Chemical Score zu berechnen, vergleicht man die Aminosäuren der Nahrungsmittel mit denen, die in einem Ei vorkommen.

Der Wert für den Chemical Score ergibt sich aus nur einer ganz bestimmten Aminosäure. Welche Aminosäure das genau ist, hängt davon ab, wie das jeweilige Nahrungsprotein aufgebaut ist. Genauer gesagt berechnet sich der Chemical Score aus jener Aminosäure, die im Verhältnis zum Ei besonders selten in dem Nahrungsmittel vorkommt.

Ein Beispiel: 100 Gramm Eier enthalten rund 890 Milligramm Lysin. Die gleiche Menge Weizen weist jedoch nur etwa 380 Milligramm Lysin auf.

Der Chemical Score für Weizen ergibt sich nun aus der Formel: 380 / 890 x 100 = 42.

Ein weiteres Problem ergibt sich daraus, wie gut der Mensch ein bestimmtes Nahrungsmittel verdauen kann. Dies wird nach der vorangestellten Formel jedoch nicht berücksichtigt. Aus diesem Grund ist die Proteinqualität mithilfe der sogenannten PDCAAS-Methode (PDCAAS = Protein Digestibility Corrected Amino Acid Score) zu berechnen.

Um den PDCAAS-Wert eines Lebensmittels zu berechnen, multipliziert man das Aminosäureverhältnis nicht mit 100 (wie bei dem Chemical Score), sondern mit einem Wert, der die Proteinverdaulichkeit widerspiegeln soll.

Pflanzliches Eiweiß wie zum Beispiel Weizenproteine kann der Mensch prinzipiell schlechter in körpereigenes Eiweiß umwandeln als tierische Proteine. Wissenschaftler teilen Weizenproteinen daher eine Proteinverdaulichkeit von 0,9 zu.

Der PDCAAS-Wert von Weizen errechnet sich wie folgt: 380 / 890 x 0,9 = 0,38

Vergleicht man nun die biologische Wertigkeit eines Nahrungsmittels mit dem jeweiligen PDCAAS-Wert, ergeben sich mitunter große Unterschiede.


Nahrungsmittel    Biologische Wertigkeit      PDCAAS-Wert
Hühnerei                         100                                 1,0
Kuhmilch                           85                                 1,0
Rindfleisch                        87                                  0,9
Kartoffel                            96                                   0,6
Reis                                  82                                   0,6
Mais                                 72                                    0,5
Weizen                             59                                    0,4

Diese Ausführungen sollten insoweit eine Überlegung wert sein, ob es sinnvoll ist sich ausschließlich vegan zu ernähren. Das Problem ergibt sich daraus, dass Sie jedenfalls mehr pflanzliche Nahrungsmittel in Gewicht aufnehmen müssen, um den Eiweißbedarf zudecken. Dies zwingt zu der weiteren Feststellung, dass das mehr an veganen Nahrungsmitteln auch ein mehr an Kalorien bedeutet kann. Zumindest dürfte es der sich vegan ernährende Sportler deutlich schwere haben sein Kalorienbelanz zu wahren unter dem Blickwinkel der Aufrechterhaltung eines katabolen Zustandes.